Seit die ersten Gerüchte um ein SpectraSoul Debütalbum die Foren enterten, sind viele, ja sehr viele Beats durch unsere Gehörgänge gestiegen, dass keine auch noch so große Vorfreude über diesen Zeitraum aufrecht erhalten werden konnte. Stattdessen wehten zwischenzeitlich desinteressierte Tumble Weeds durch die Threads und so richtig dran glauben mochte langsam keiner mehr. Erst Anfang diesen Jahres regte sich wieder etwas in der Shogun-Zentrale in Brighton. Mit dem richtigen Händchen für die Informationspolitik brach dort ganz langsam und sachte die Promowelle. Als wüsste man um die gewachsene Skepsis der SpectraSoul-Anhänger bezüglich des Debütalbums von Jack und Dave, küsste vorerst ein freier Download des Klassikers „The Tube“ in der VIP-Version die Anhänger ganz sanft aus ihrem Winterschlaf. Denn zusammen mit dem Download gab es die ersten Informationsfetzen zum anstehenden Album. Zwar waren diese kaum konkreter als die Forum-Gerüchte vor zwei Jahren, aber da sie nun endlich von offizieller Stelle kamen, gab es wenig Grund für weitere Zweifel.

Da war sie also wieder, die Vorfreude. Und sie sollte noch steigen, als wenig später die erste Single-Auskopplung „Light In The Dark“ ft. Terri Walker im Labelkatalog von Shogun Audio auftauchte. Mit epischen Streichern, sanftem Gesang und dem typischen SpectraSoul-Backbeat meldeten sich Jack und Dave zurück, indem sie an ihr bisheriges Masterpiece „Lost Diciple“ anknüpften. Doch trotz der gewohnt hohen Qualität von SpectraSoul gesellten sich mit der Single ein paar Zweifel zur Vorfreude hinzu. Schließlich habe man jetzt nicht so lange gewartet, um exakt das zu bekommen, was man schon vor zwei Jahren erwartet hätte.

Und auch hier bewies das Duo erneut großes Geschick in der Promo-Politik. Mit „Away With Me“ ft. Tamara Blessa, der zweiten Single zum Album, erblickte ein House Tune das Licht der Welt, der bei 123BPM nur sehr leichte Breakbeat-Tendenzen aufweisen konnte. Das hebelte zwar die ersten Zweifel aus ihren Angeln, ließ aber wiederum neue zu. Denn die Pop-Attitüde war nicht zu überhören und die Frage, wo SpectraSoul mit ihrem Album eigentlich hinwollen, rückte in den Fokus des Album-Diskurses. Doch als die erste Irritation verflogen war, konnte man sich dann irgendwie doch mit diesem catchy Track anfreunden und es war doch wieder die Vorfreude, die überwiegen konnte.

Und nach all diesen mentalen Strapazen, denen uns SpectraSoul lange vor Erscheinung des Albums „Delay No More“ aussetzte, lässt sich seit dem 23. Juli nun endlich der zwar blöde wie ausgelutschte, aber doch zutreffende Spruch, Ende gut, alles gut, loswerden. Denn dem Duo Jack und Dave ist ein wirklich großes Werk gelungen, das die Gradwanderung zwischen eigener Tradition und obligatorischer Innovation sehr gut meistert. Ob entspannter Ambient, drückender Drum & Bass, catchy House oder pumpender Half-Time-Step, es lässt sich alles im Album-Kontext vereinen und macht am Ende mehr Sinn, als man zwischenzeitlich befürchtet hatte.

Wie die ganze Geschichte angefangen hat, warum das Album so lange auf sich warten ließ und was eigentlich ein House Track auf „Delay No More“ zu suchen hat, beantwortete uns Dave, der Pressebeauftragte des Duos.

drumandbass.de: Wie geht es Dir?

Dave: Gut, danke! Ich habe heute einen Presse Tag und versuche alles fertig zu kriegen, bevor am Wochenende die Gigs los gehen.

drumandbass.de: Bist Du gerade in Brighton?

Dave: Nein, wir leben inzwischen beide in London. Jack seit ca. 3 Jahren und ich kam letztes Jahr nach, um das Album fertig zustellen. Aber Shogun Audio hat seinen Sitz nach wie vor in Brighton. Also sind wir sehr oft dort um die Leute zu sehen oder die Studios zu nutzen. Alles andere läuft aber von London aus.

drumandbass.de: Die Frage mag Dich langweilen, aber wie hat die ganze SpectraSoul Geschichte ihren Anfang genommen?

Dave: Das war in 2006. Jack und ich lebten beide in Brighton und jeder hat für sich alleine Musik gemacht. Wir kannten uns zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Wir wurden dann eines Abends von einem gemeinsamen Freund in einer Kneipe vorgestellt. Er kannte unsere Musik und dachte, die gemeinsame Arbeit könnte durchaus fruchtbar sein. Kurzerhand trafen wir uns im Studio und machten die ersten gemeinsamen Tunes fertig, die dann auch wenig später von Friction für Shogun Ltd. gesignt wurden. Der Name SpectraSoul existierte zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht. Also tranken wir Whiskey, wurden betrunken und kamen auf SpectraSoul. Das alles war nicht geplant, sondern passierte einfach. Wir machten Tunes, bekamen Signings, gaben uns einen Namen und schon waren wir mittendrin.

drumandbass.de: Zu dieser Zeit wurdet ihr mit dem „New School-Tag“ versehen…

Dave: Ja, im Drum & bass lieben es die Leute zu kategorisieren. Für uns ist das o.k. Wir machen einfach unsere Musik. Wie es dann genannt wird ist uns egal. Wir machen, was wir mögen und wir mögen was, wir machen.

drumandbass.de: Ihr wart nicht die einzigen Produzenten, die neu ins Geschäft einstiegen…

Dave: Ja, es war sehr schön für uns, zu dieser neuen Generation von Drum & Bass Produzenten zu gehören und dass unsere Musik respektiert wurde. Dazu gehörten Alix Perez, Icicle oder Jubei. Drum & Bass verläuft ja gewissermaßen in Zyklen. Ungefähr alle fünf Jahre kommt eine neue Produzentengeneration, die frischen Wind in die Szene bringt. Heute ist es ein bisschen anders, weil stetig neue Leute auftauchen. Aber generell verläuft es schon zirkulär.

drumandbass.de: Während sich die Musik immer schneller verändert und stetig neue Subgenres geboren werden, hat sich Euer Sound innerhalb der Szene etabliert. Wie blickt Ihr heute auf Eure Musik?

Dave: Es ist sehr schwierig die eigene Musik objektiv zu betrachten, weil wir sie ja selber produziert haben. Das betrifft auch die Entwicklung im Laufe der Zeit. Aber ich denke, wir haben einen eigenen Stil gefunden, ein Trademark, das uns auszeichnet und mit dem man uns in Verbindung bringt. Und das zu finden war nicht einfach. Viel leichter ist es den Sound anderer Musiker zu kopieren und genauso zu klingen wie sie. Um genau das zu verhindern, haben uns Einflüsse aus anderen Stilen und Genres sehr stark geholfen. Doch mit einem Trademark alleine ist es ja auch noch nicht getan. Es ist wichtig den Stil auch weiterzuentwickeln, ohne sich dabei zu sehr von seinem Trademark zu entfernen. Das ist eine Gradwanderung, die unbedingt nötig ist, damit die Musik weder für einen selber als Produzenten, noch für die Rezipienten langweilig wird.

drumandbass.de: Kannst Du ein paar Eurer Einflüsse nennen?

Dave: Jack und ich mögen beide die Band Bon Iver sehr gerne. Vor allem den Sänger. Auch der Gesang von Jamie Woon begeistert uns. Ansonsten sind es Künstler wie The Cinematic Orchestra, Flying Lotus und natürlich auch Burial, der ja gewissermaßen jeden beeinflusst, ohne dass man es merkt, die unsere Produktionen sehr stark beeinflussen. Aber auch der Motown-Katalog oder Soul Music. Überhaupt die 50er und 60er sind sehr prägend für uns. Wir haben also schon immer alles mögliche gehört, aber noch nie Drum & Bass. Das hilft uns sehr dabei, ein eigenes Soundscape innerhalb der Musik zu kreieren. Denn wenn du immer nur Drum & Bass hörst und es auch selber produzierst, dann klingst du eben auch nur nach Drum & Bass und das kann sehr langweilig sein, weil einfach keine Bewegung hinein kommt.

drumandbass.de: Lass uns über das Album sprechen: Es hat eine Ewigkeit gedauert, von den ersten Gerüchten, dass Ihr an einem Album arbeitet, bis es dann endlich veröffentlicht wurde. Warum hat es so lange gedauert?

Dave: Das Album stand tatsächlich schon vor zwei Jahren im Raum. Aber es passte zeitlich einfach nicht. Jack war dabei sein Studium zu beenden und wir hatten ohnehin sehr viel mit Gigs, Remix-Aufträgen und unseren eigenen Releases auf Shogun zu tun. Damals standen sogar schon erste Entwürfe, die wir aber wieder verworfen haben. Es passte einfach nicht. Und wir wollten, dass es richtig wird, dass es Sinn macht und es nicht überhastet wird. Es sollte nicht einfach nur eine Trackcollection sein.

drumandbass.de: Das ist häufig das Problem bei elektronischer Musik.

Dave: Genau! Gerade im Drum & Bass. Wir wollten das verhindern und die Grenzen aufbrechen, kein reines Drum & Bass Album machen. Deshalb bedienen wir verschiedene Genres und Tempi. Das erste Album ist schließlich sehr wichtig für einen Künstler, weil er daran gemessen wird. Als würde man sagen, hier sind wir und das ist unsere Musik. Deshalb denke ich, es war die richtige Entscheidung, so lange zu warten. Zu einem anderen Zeitpunkt wären wir einfach nicht in der Lage gewesen, es so produzieren wie es nun klingt.

drumandbass.de: „Away with me“ ft. Tamara Blessa ist Eure erste Straightbeat-Arbeit. Was steckt dahinter?

Dave: Jack und ich produzieren schon sehr lange Musik in anderen Tempi und mit dem Album haben wir nun die Möglichkeit, dass andere Leute sie auch hören. Wir hatten sehr viel Spaß im Studio, haben eine Menge ausprobiert. Wenn du Drum & Bass produzierst, hast du sehr viele Regeln. Doch wenn man das Tempo drosselt, gibt es einfach keine Regeln mehr für uns, weil wir nicht mehr wissen, was wir tun und sich vieles einfach gut anhört. Eigentlich war es als Instrumentalstück gedacht. Doch das Label wollte noch Vocals drauf haben. Es war sehr anstrengend, die richtige Sängerin zu finden, aber mit Tamara haben wir sie dann gefunden.

drumandbass.de: Das Stück hat durchaus eine gewisse Pop-Attitüde.

Dave: Das stimmt! Es hat auf jeden Fall Pop-Elemente mit drin. Der Gesang, das Riff… Es war eine Herausforderung, einen Song zu schreiben, der zugänglich ist, den die Leute hören, wie auch dazu tanzen können. Wir haben versucht diese Balance zu halten.

drumandbass.de: Ich war sehr überrascht, dass ihr gerade diesen Track als zweite Single-Auskopplung herausbringt. War das eine Art Mutprobe? Wolltet Ihr damit bewusst irritieren?

Dave: Seit über einem Jahr hatten wir keine Single mehr auf Shogun herausgebracht. Insofern war die erste Single „Light In The Dark“ ft. Terri Walker eine Art Wiedereinführung von unserer Musik. Wir wollten nochmal zeigen, was wir machen und wofür uns die Leute kennen. Die zweite war dann natürlich etwas riskanter. Die Leute erwarteten einen 123BPM Tune in House-Manier natürlich nicht von uns. Deshalb war der Calibre Rmx auf der Flip, der die Drum & Bass Heads glücklich machen sollte. Das Ziel war also nicht unbedingt eine Mutprobe oder Irritation, sondern einfach mehr Leute damit zu erreichen. Doch natürlich waren wir sehr aufregend und nervös. Zum Glück hat aber alles sehr gut funktioniert.

drumandbass.de: Ihr seid so weit ich weiß beide sehr stark an der UK Bass Bewegung interessiert. War „Away With Me“ ein erster Schritt in diese Richtung?

Dave: Das kann man natürlich denken, aber wir haben einfach einen Tune gemacht, der für uns ganz unerwartet von einigen House DJs gespielt wurde. Dadurch haben wir uns in die Zeit zurück versetzt gefühlt, als wir uns noch gefreut haben, wenn Andy C einen Tune von uns gespielt hat. Heute ist das ganz normal. Es war wie am Anfang und wir waren total aufgeregt, dass z.B. Maya Jane Cole den Track spielte. Wir wollen jetzt aber nicht zwangsläufig UK Bass Artists werden, doch wenn wir in dieser Kategorie auftauchen sollten und einige DJs unsere Tunes spielen, ist das natürlich cool. Vielleicht kann man von einem ersten Schritt in diese Richtung sprechen, den wir aber nicht bewusst getan haben.

drumandbass.de: Meiner Einschätzung nach, war es früher undenkbar, solch einen Track wie „Away With Me“ auf einem Drum & Bass Album zu haben. Was hat sich Deiner Meinung nach geändert?

Dave: Ich bin mir nicht sicher, ob sich da tatsächlich etwas verändert hat. Ein Großteil der Drum & Bass Hörer sind sehr jung und mit dieser jungen Mentalität geht sehr oft auch eine Ignoranz gegenüber anderen Stilen einher. Genau aus diesem Grund ist Drum & Bass sehr stark in seinen eigenen Standards gefangen. Die meisten produzieren einfach nur für den Dancefloor. Viel zu wenige produzieren Drum & Bass aus anderen Gründen, zum Zuhause hören. Für uns ist es wichtig, die richtige Balance dazwischen zu halten.

drumandbass.de: „Delay No More“ ist stark von melancholischen Momenten bestimmt. Welche Stimmung hat Euch während der Produktion begleitet?

Dave: Wenn wir Musik machen, ist das immer sehr persönlich. Es hängt davon ab, was man für einen Tag hatte, ob man eine Freundin hat oder ob man angepisst ist, das alles schlägt sich dann natürlich in der Musik nieder. Ihr hört also quasi, was wir denken. Den Hang zu melancholischer Musik hatten wir schon immer, sind aber deshalb keine traurigen Individuen. Der Grund ist eher, dass wir einfach cheesy music nicht mögen.

drumandbass.de: Mit der Single „Hot Right Now“ von DJ Fresh, scheint Drum & Bass wieder einen ordentlichen Popularitätsschub bekommen zu haben. Wirkt sich das auch auf die eher subkulturellen Ebenen aus oder sogar speziell auf Euch?

Dave: Es ist verrückt, aber Drum & Bass verläuft wie ich schon sagte in Zyklen. Alle paar Jahre schreibt irgendjemand einen Chart-Hit. Das gab es schon vor zehn Jahren mit Roni Size oder vor ein paar Jahren mit Shy FX. Das hat sowohl positive wie auch negative Auswirkungen. Negativ ist, dass solch ein Track für Aussenstehende das gesamte Genre definieren kann. Sie hören diesen Track und denken, jeglicher Drum & Bass ist so und erwarten es dann auch nicht anders. Auf der anderen Seite generiert so ein Charterfolg auch neue Hörerschaften, die sich eventuell tiefer mit der Materie auseinandersetzen und auf Künstler wie Alix Perez oder eben auch uns stoßen. Es ist also ein zweischneidiges Schwert. Und natürlich ist es für uns als Produzenten positiv, weil wir dadurch mehr Remix-Aufträge bekommen. Es kann also durchaus auch Türen öffnen.

drumandbass.de: Magst du den Song?

Dave: Der Song ist really fuckin catchy. Es ist ein guter Popsong. Ich würde nicht sagen, dass es ein guter Drum & Bass Track ist. Aber es ist ein großartiger Popsong und deshalb ging er auf die Nummer eins. Ich würde ihn nicht spielen. Aber ich kann ihn als Popsong würdigen.

Text: Christian Kinkel