„Sprouted & Formed“ war definitiv eines der besten Drum & Bass-Alben des letzten Jahres. So wunderbar über den Tellerrand schauend gliederte sich das Debütwerk von Rawtekk in die Anti-Scheuklappen-Politik von Med School Music ein und schlug Brücken zu Indie, Wave, Dubstep und Techno. Nun wurden die ersten Remixe unter dem Titel „Sprouted and Reformed“ zusammengetragen und die EP ebenfalls bei der Hospital-Tochter veröffentlicht. Die Remixer Phace, Mefjus und Billain waren sich dabei offensichtlich einig, dem Ausgangsmaterial eine belebende Adrenalinspritze zu setzen.

Phace hat sich „Photone Recruits“ vorgeknöpft und den Track zu einem richtigen Rotzlöffel umerzogen, der nun mit großen Mid-range-Pupillen über den Dancefloor wütet. Der Sound ist kantiger und hektischer geworden, verlangt nach kräftezehrender Doubletime und zirpt so wundervoll mechanisch um die dickflüssig blubbernden Bass-Figuren des Originals herum. Das ist dann wohl der nach technischer Perfektion strebende und Standards setzende 2014-Neurofunk, wie ihn Phace doch schon so oft abgeliefert hat. Mefjus geht einen ähnlichen Weg und setzt „No More Vaccine“ einer Amphetaminüberdosis aus, die dem Track offensichtlich ganz gut gefällt. Haben sich die metallischen Bass-Wogen des Originals noch graziös im tippelnden Breakbeat gewunden, jagt sie der Remix nun durch ein geshuffeltes Mefjus-Gefahrengebiet. Und auch Billain belässt es bei „Amber‘s Love Was Like a Marble“ nicht bei den brutal schleppenden Halftime-Patterns, sondern krempelt die knarzende Electronica-Chose unmissverständlich auf 172 Bpm um. Das klingt dann wie eine Comic-Staubwolke, die eine Schlägerei darstellen soll, und wirkt in Teilen etwas überambitioniert. Sound-technisch bleibt es dennoch ein Genuss, wenn die zarten Intro-Töne wie um Hilfe schreiend das Tohuwabohu immer wieder kurz durchbrechen.

Oben drauf gibt es noch zwei Remixe der Drum & Bass-Ballade „Snowflakes“, die Rawtekk höchstpersönlich anfertigte. Das Original wurde bereits 2011 bei Med School veröffentlicht und verankerte das Produzentenduo damals nachhaltig im Gedächtnis. Mit seicht tröpfelnden Terzen, Wattebausch-Basslines, flüsterndem Gesang und einer unterschwelligen Progressivität in den Drum-Patterns wurde dieser Track zu einem vertonten Hoffnungsschimmer einer Winterdepression. Die Remixe bewahren sich diese Stimmung, setzen sie aber in etwas andere Kontexte. Die „Neuropop VIP“ spricht da eigentlich schon für sich selbst. Sie ist wesentlich extrovertierter, etwas rotziger im Sound-Design und schielt ganz klar in Richtung Großraum-Rave. Das funktioniert aber erstaunlich gut und der Remix lässt grenzenlose Euphorie und tiefgehende Melancholie noch stärker miteinander verschmelzen, als es schon beim Original der Fall war. Die „Ambient Version“ ist dann eben genau das: Ambient, der eher für die gemütlichen Stunden vor dem Kamin gedacht ist.

„Sprouted and Reformed“ ist bei Med School erschienen.