phace & misanthrop

Bei den future-music.net Awards wurden phace als beste Producer national gewählt. Misanthrop landete ebenfalls in den Top 10. Nun bringen sie ihr gemeinsames und mit großer Spannung erwartetes Album „From Deep Space“ an den Start, das sicher eines der Highlights von „Drum’n’Bass Made in Germany“ 2010 ist. Es knarzt und knattert in bester Neurofunk-Manier. Wir trafen Flo und Nico (aka phace) und Michael aka Misanthrop zum Interview..

Erzählt doch bitte zuerst etwas über Euren individuellen musikalischen Werdegang. Und woher habt ihr eure Skills?

Flo: Obwohl ich leider kein Instrument spiele hat Musik in meinem Leben immer schon eine sehr große Rolle gespielt. In meiner Kindheit spielte mein Vater Drums in einer Band, ich hab es einfach immer geliebt bei den Proben dabei zu sein. Bedingt durch meinen Vater bin ich daher mit sehr viel Rock Musik aufgewachsen (Led Zeppelin, Pink Flyod, Deep Purple etc.).

Als wir dann endlich auch MTV zu Hause empfingen, kam dann auch meinen ersten Kontakt mit elektronischer Musik, im Detail mit dem Video „Wir sind die Roboter“ von Kraftwerk. Ich war fasziniert von der Vorstellung Musik durch einen Computer zu erzeugen, da ich bisher nur das Musizieren durch Bands kannte. So gingen dann einige meiner Jungen Jahre mit einer Mischung zwischen Rock, Hardcore, Elektronik und auch Hip Hop / Rap dahin, bis ich um 1992 dann meinen ersten Kontakt mit Broken Beats hatte (Prodigy – The Experience). Darüber kam ich dann zu den Breakbeats/Jungle/Drum & Bass.

Persönlich hatte ich schon immer den Drang zu eher energiegeladener, etwas deeperer und emotionaler Musik. Mit 16 fing ich an Drum & Bass aufzulegen. Darüber kam ich dann auch mit 19 zu den Anfängen meiner ersten eigenen Produktionsversuche und mache das ganze mittlerweile dann schon seit einigen Jahren. Woher meine musikalischen Skills kommen? Bestimmt nicht aus der Schule. Was aber nicht heissen soll, dass Lesen nicht bildet. Ich habe mir eigentlich alles autodidaktisch beigebracht. Ich habe leider nie gelernt ein Instrument zu spielen und habe auch keine andere musikalische Ausbildung genossen, sondern bin stets der „Learing by Doing“ Devise gefolgt.

Nico: Zwischen den Jahren 7 und 16 habe ich einen Musikschule besucht und gelernt Klavier (Funk und Jazz) zu spielen. Als Teenager habe ich meist die Tapes meines älteren Bruders gehört, darunter fand sich eher Rock und Metal von z.B. Black Sabbath, Led Zeppelin etc.

Später bin ich dann darüber auf Bands wie Pink Floyd, Metallica, Kyuss und Depeche Mode gestoßen, aber tendierte während der darauffolgenden Jahre irgendwie immer mehr zu elektronischer Musik, wie z.B. Kraftwerk.

DnB mit seinem unvergleichlichen Sound und Rhytmus hatte bei meinem ersten Kontakt einen enormen Einfluss auf mich, und ich fand einen direkten Zugang zu dem Ganzen. Damalige Artists wie Photek, Matrix, Jonny l, Optical und später auch C4C, Stakka&Skynet und Kemal&Rob Data gaben mir irgendwie genau das, auf dessen Suche ich war. Ich erinnere mich heute noch genau an den ersten in meinem Kopf hängen gebliebenen Track mit seiner genialen mathematischen Struktur – „Knitevision“ von Photek.

Michael: Ich hab ca. mit 13-14 angefangen mit Musik zu experimentieren. Das hab ich aber eher aus Langeweile und aus reinem Forschungsinteresse heraus getan. Das hatte nichts damit zu tun, dass das ganze in Musik enden sollte. Ich hab mit ´ner alten Band Maschine von meinem Vater Aufnahmen gemacht die Schnipsel dann neu zusammengeschnitten und gespannt verfolgt was da am Ende bei rauskommt.

phace misanthropDamals hatte ich noch keinen Computer oder Sampler, und selbst wenn, es war die Zeit von C64 und Atari St. Das waren so die ersten Erfahrungen mit dem experimentieren von Sounds und das Interesse für mehr war geweckt. Irgendwann war mir das experimentieren zu wenig und ich hab die Sounds dann arrangiert und live Sessions gemacht von denen ich damals viel auf DAT aufgenommen hab. Irgendwann zur selben Zeit bin ich auch mit Drum & Bass in Berührung gekommen.D as hat mich sofort geflashed, weil es so ziemlich genau meinen Vorstellungen von Musik entsprach die ich machen wollte. Ich hab dann natürlich gleich angefangen Platten zu kaufen und die Szene näher zu verfolgen. Eins kam zum anderen man lernte Leute im Plattenladen kennen die auch die Musik hörten, ich fing an aufzulegen und spielte auf der ein oder anderen kleineren Party. Irgendwann fing ich auch an damals meine Tunes über MiniDisc in meine sets miteinfliessen zu lassen, was das ganze nochmal auf eine neue Ebene brachte. Mittlerweile gab es auch Internet und das Networking über Foren wie Future Forum, Doa or Dsci4 fing auch an und ich lernte andere Producer kennen, unter anderem Phace…

Die ganzen „Skills“ sind im Endeffekt eine logische Folge von Erfahrungen die man über die Jahre macht. Ich hab mich schon früh für Computer und Musik interessiert. Ich hab die ganze Entwicklung vom Atari ST Cubase, wo man noch ohne Audiospuren im Arrangement gearbeitet nur mit Midi, bis zum ersten Cubase mit VST Technologie mitgemacht. Das ist natürlich ein Vorteil ggü. jemand der mittendrin einsteigt und die Basics nachlernen muss. Außerdem entwickelt man von Zeit zu Zeit bei der Arbeit mit Computern diese „Fehlerbehebungs-Routinen“ die einem jetzt einfach viel Zeit ersparen! Außerdem hab ich nie die Augen vor anderen Sequenzern wie Ableton,Logic oder ProTools verschlossen. Ich finde jedes einzelne Programm bietet immer Möglichkeiten die andere Sequenzer nicht haben und die einem vielleicht „den“ bestimmten Sound geben, nach dem man sucht.

Wie habt Ihr Flo und Nico (aka phace) dann Michael aka Misanthrop kennengelernt?

Flo: Das ganze war so um das Jahr 2000. Wir haben uns durch unsere ersten Musikproduktionen auf Dogs on Acid und Future Music kennengelernt, hatten Kontakt aufgenommen und uns anschließend auf einer D&B Veranstaltung in Mannheim verabredet/getroffen. Daraus entwickelte sich eine echte Freundschaft die ich heute nicht mehr missen möchte.

Wie kam es dann zu der Entscheidung zusammen – also Phace + Misanthrop – ein Album zu machen?

Flo: Zuerst dachten wir darüber nach auf nun unserem eigenen Label getrennte Alben zu machen und arbeiteten unabhängig von einander vor uns her. Unterbewusst hatten wir uns jedoch irgendwie sound-mäßig in die gleiche Richtung bewegt, so dass wir dann irgendwann einfach den Entschluss gefasst haben unsere Kräfte zu bündeln und ein interessantes und vielseitiges Album zusammen auf die Beine zu stellen. Da wir auch das Label zusammen gegründet hatten, war es dann auch irgendwie logisch, dass wir das erste größere Projekt des Labels zusammen verwirklichten.

Wie sind die Aufgaben verteilt? Und wie habt ihr das praktisch gemacht, weil ihr drei ja alle in anderen Städten wohnt…?

Flo: Ja das mit den verschiedenen Locations ist etwas tricky und macht es natürlich nicht unbedingt einfacher, aber wir leben ja Gott sei Dank in einem Zeitalter, bei dem man nicht mehr mit der Kutsche reisen muss. Zwischen Hamburg, Stuttgart und Luxembourg gibt es jeweils recht gut frequentierte Flugverbindung, so dass wir auch dies alles optimal managen konnten. Ansonsten sind unsere Aufgaben recht einfach verteilt ‚Äì das Misanthrop „Headquarter“ ist in Stuttgart, das Phace „Headquarter“ in Hamburg.

Das Label betreiben Michael und ich zusammen. Unser Workflow im Studio ist an sich ebenfalls immer recht locker, wichtig ist die richtige Stimmung, Laune, und dass jeder weiss was der andere gerade macht. Den Rest lassen wir einfach auf uns zu kommen und entscheiden dann.

Euer Album „From Deep Space“ erschien am 15.02.10 auf Eurem Label Neosignal. Wie lange habt ihr an den Tracks gearbeitet? Oder hattet Ihr die sowieso schon in der Schublade?

Flo: An dem ganzen Album haben wir ungefähr 1 ¬Ω Jahre gesessen. Ein paar Tracks gingen dabei leichter von der Feder, andere dauerten etwas länger. Bis auf den Track „Simplicity“ sind alle Tracks sehr fresh und hatten wir auch bis einige Wochen vor dem Release aus der √ñffentlichkeit bestmöglich zurück gehalten.

Es war unser Ziel ein Album zu veröffentlichen, welches im Vorfeld nicht schon 2 Jahre lang „totgespielt“ wurde. So etwas ist im elektronischen Underground Musikgeschäft zwar immer etwas gefährlich, da heutzutage ohne den notwendigen „Hype“ um ein Album Release dies auch gerne mal etwas nach hinten los gehen kann. Aber wir vertrauen da einfach unseren Fans und wollten vor allem etwas authentisches und zeitloses auf die Beine stellen. Ein Album, dass Du erstmal ein paar mal komplett hören musst um es kennen zu lernen. Ich selbst habe es z.B. bei einigen Rock-Bands immer geliebt irgendwann endlich das ganze Album in den Händen zu haben und ¬æ der Tracks zuvor niemals gehört zu haben.

Was können wir soundmäßig auf „From Deep Space“ erwarten? Ist der Name Programm? Auf welchem Medien kommt das Album raus (Vinyl, CD, …)? Unterscheidet sich die Trackauswahl?

phace & misantrop - from deep spaceFlo: Wir haben natürlich versucht den Tracks eine übergreifende Atmosphere zu geben, ohne aber dabei jeden Track gleich klingen zu lassen. Sonst wäre das meiner Meinung nach doch eine sehr langweilige Angelegenheit gewesen. Uns war es wichtig das Ganze so abwechslungsreich wie möglich zu gestalten, aber auch immer unseren eigenen Sound und Vibe zu integrieren.

Wir haben neben unseren reinen DnB Produktionen auch andere Stile auf das Album gepackt. So wie man nicht jeden Tag nur Suppe essen möchte, wollen auch wir nicht immer nur in die gleiche Schublade gesteckt werden. Persönlich ist das Album für mich daher eine Reise durch deepe und energiegeladene Broken Beats aus unseren Augen. Neben schnelleren und abgehenden Passagen haben wir immer wieder auch mal etwas ruhigere Momente in den Tracks. Da das Vinyl Release des Albums lediglich alle Drum & Bass Tracks des Albums enthält, ist das CD Release das eigentliche und vollständige Herzstück des Albums.

Uns war es ebenfalls sehr wichtig, dass das Album auch nicht ausschließlich nur in den Clubs gut anhört und funktioniert, sondern dass man es ebenfalls auch zu Hause, auf seinem Wagen aufm Weg heim von der Arbeit oder auf seinen Reisen durch die Welt hören kann. Unsere erste LP „Psycho“ auf Subtitles war da eher unser aggressives, rebellisches und junges Debut, mit welchem wir einen Stempel auf unseren Sound setzen wollten. From Deep Space ist beides, unsere Weiterentwicklung über die letzten Jahre, sowie aber auch der Startpunkt für die folgenden. Wir wollten auf jeden Fall, dass sich das Album insgesamt schlüssig anhört, und auch von der Dynamik sowie Sound-√Ñsthetik ein Hörvergnügen ist, und glaube das ist uns auch wirklich geglückt.

Welcher der Tracks sticht für euch besonders heraus? Habt ihr einen Lieblingstrack und wenn ja, warum?

Flo: Persönlich mag ich gerade sehr „going down slow, channel feel und interplay“. Diese Tracks haben von der Stimmung und dem Vibe etwas, dass nicht alle Tage passiert. Ich finde es allerdings etwas schwer mich auf nur einen Track festlegen zu wollen. Mein Lieblings-Stück ändert sich eigentlich konstant, abhängig von meiner Lauen und Stimmung. Deshalb mag ich das Album auch so, weil man wirklich sehr viel unterschiedliche Momente und Imaginationen darin finden kann.

Michael: Also Lieblingstracks gibts schon nur wechseln die sich ständig durch. Das kommt ganz auf die Stimmung drauf an. Momentan sind es Expectation Hurts, Orbit und Shadow. Es gibt keinen bestimmten Grund warum, um ehrlich zu sein. Was mich immernoch verblüfft ist der Fakt, das ich tunes die ich selbst produziert habe und mittlerweile schon über 1000mal gehört habe, immernoch hören kann ohne dass sie mich langweilen. Vielleicht kann ich auch deshalb keinen ständigen Favorit auswählen, weil für mich für jede Gefühlslage was dabei ist, und ich hoffe das wird den Hörern unseres Albums auch so gehn…

Pendulum haben von ihrem „In Silico“ Album 400.000 Exemplare verkauft – wieviel wollt Ihr verkaufen?

Flo: Wir sind da natürlich schon Realisten und uns ist in erster Linie auch klar, dass wir Underground Musik machen, und wir eben kein groß aufgestelltes und reibungslos funktionierendes Musik-Marketing und Management Netzwerk hinter uns haben. Wir machen ja quasi alles selbst mit der Hilfe einiger unserer Freunde. Ein Label halbwegs ordentlich zu betreiben, Musik zu produzieren und dann noch das Touren bedeutet, dass es immer einiges zu bewältigen gibt. Und unser Sound ist doch etwas spezieller und deshalb sind unsere Erwartungen natürlich nicht mit etwas wie Pendulum vergleichbar.

Ein Erfolg wäre es schon, wenn wir die im gesamten Schaffungsprozess des Albums angefallen Kosten decken könnten. Und wenn unverhofft dann doch alle produzierten Exemplare über den Tisch gehen sollten freuen wir uns natürlich um so mehr. Falls bei uns nach Deckung der Kosten etwas übrig bleibt, fließt das direkt wieder ins Label, so halten wir es nach wie vor. Dennoch kannst du in diesem Bereich mit Sicherheit bei Weitem nicht von 400.000 Exemplaren sprechen, zieh mal zwei Nullen von ab und dann bist du schon ultra-optimistisch.

Wie gestaltet sich das Leben eines Underground Musikers wie ihr es seid in der hiesigen deutschen Gesellschaft?

phaceFlo: Auch hier gilt „Learning by doing“ für mich. Du kannst so etwas auf keiner Schule lernen, es gibt auch kein Handbuch für ein solches Leben. Wenn ich manchen Leuten von dem was ich tue erzähle, muss ich meistens immer etwas weiter ausholen, bevor Sie eigentlich verstehen wie und ob das funktioniert. In Deutschland gehst du immer mit dem notwenigen Sicherheitsdenken und Plan in etwas hinein, dass musst du in der Musik meist einfach hinter dir lassen. Von dem deutschen Staat bekommst du bis auf die Künstlersozialkasse als Underground Musiker auch keine große Unterstützung, so dass du in den meisten Belangen des konservativen Papierdschungels Deutschland einfach auf dich selbst gestellt bist. Wichtig für mich ist es einfach seinen eigenen Weg zu finden und zu gehen. In meinen Augen ist es einfach enorm wichtig ständig offen für Neues zu sein, eine gesunde Selbsteinschätzung zu entwickeln, authentisch zu bleiben und vor allem nicht die Bodenhaftung zu verlieren.

Michael: Ich arbeite im Bereich Film/Video-Schnitt und Compositing. Ich hatte nie wirklich vor, Musik hauptberuflich auszuüben. Einfach aus dem Grund, da ich nicht immer auf „Knopfdruck“ kreativ sein kann und will.

Es gibt Wochen da hör ich einfach gar keine Musik, nicht mal im Auto. Da hab ich einfach keinen Zugang dazu und brauch Ruhe. Deshalb versuche ich Musik,so frei wie möglich auszuüben, d.h. keinen Erfolgsdruck, Wettbewerb oder sonstiges zu haben. Ich kann mich noch erinnern, dass ich nach „Viperfish“ ,zahlreiche Anfragen für Releases auf anderen Labels bekommen hab. Die wollten alle Viperfish Klone haben, aber dazu hatte ich einfach keinen Bock und ich glaube ich hätte es auch gar nicht mehr hinbekommen…

Natürlich ist es mit nem Job auch nicht gerade einfach nebenbei auch noch ein Label zu haben und Musik zu machen, aber ich fühle mich momentan einfach besser. Mein Job zahlt hierbei meine monatlichen Kosten und Musik bleibt pure kreativ Arbeit. Klar ist es schwieriger sich nach dem arbeiten um 20.00h nochmal hinzuhocken und Musik zu machen, aber genau dass zeigt mir ob ich noch Lust dazu habe oder nicht!

Ihr seid einer der Exportschlager von „German Drum’n’Bass“. Lasst Ihr Euch gerne vor diesen Karren spannen?

Flo: Ich habe mich eigentlich nie selbst vor diesen Karren gesponnen. Als Draufgänger-Teen Bedroom Producer habe ich niemals geahnt noch daran geglaubt jemals auf Grund meiner Musik um die Welt zu touren. Ich bin mit sehr viel „ausländischer“ Musik aufgewachsen, und habe immer versucht Dinge so global wie möglich zu sehen. Das gewisse Entwicklungen meines musikalischen Wirkens sich auf diese Wege begeben haben ist einfach auf mich zu gekommen und passiert. Warum unsere Musik auch gerade im Ausland so gut ankommt, kann ich Dir nicht wirklich erklären, da sollte man am besten einfach die Leute außerhalb befragen.

Unser Sound hat schon eine recht technische Komponente, ich kann mir gut vorstellen, dass Drum & Bass Hörer im Ausland deutsche Künstler auch gerne unterbewusst mit dem technisch doch recht versierten von elektronischer Musik besessenem Deutschland verbinden und deshalb bewundern.

Was gibt es aus eurer Sicht im Allgemeinen über die deutsche Drum’n’Bass Szene zu sagen?

phace misanthrop Flo: Ich liebe mein Land und Ihre Menschen. Über all die Jahre betrachtet ist die deutsche Szene wie eine Achterbahnfahrt für mich. Ich habe schon einige meiner besten Momente auf deutschen Partys erlebt, aber auch einige weniger gute. Jedes Jahr wurde die Szene auf Neues tot geredet, und jedes Jahr wurde das widerlegt. Ich habe schon einiges an DJs und Produzenten kommen sehen, aber auch einiges wieder gehen gesehen. Momentan habe ich ein wenig das Gefühl, dass es den Anschein hat das Drum & Bass in Deutschland etwas versandet, wobei dies Annahme in meinen Augen auch durch mehrere Umstände trügt bzw. beeinflusst ist. An erster Stelle nehm ich jetzt mal unsere tolle Finanzkrise, welche man immer noch spürt und welche auch im Musikgeschäft auf seine Art sein Unheil angerichtet hat. Zum anderen kommt da noch die deutsche sowie weltweite Indie / Minimal / Dubstep oder Elektro Bewegung welche die Clublandschaft momentan dominiert. Noch ein weiterer Grund liegt in meinen Augen mit Sicherheit in der erdrückenden Flut an unqualitativen Releases der letzten Jahre, bedingt durch die teilweise komplette Digitalisierung der Vertriebswege von Labels.

Aber back on Topic, es gibt dennoch nach wie vor einige wirklich Drum & Bass verrückten Regionen in unserem Land, ob klein oder groß, mit einem richtig gut funktionierenden Netzwerk. Köln ist da meiner Meinung nach momentan vorweg zu nennen. Dort gibt es einfach sehr viele Szeneaktivisten mit dem notwenigen Engagement und Möglichkeiten, die aufzeigen wie es geht und das Drum & Bass vor allem nach wie vor funktioniert. Mit dem Berliner Club Icon gibt es ebenfalls einen der wenigen Clubs Deutschlands, welcher es seit mehr als zehn Jahren mit harter Arbeit und vor allem Vielfalt seines Angebots schafft beinahe jedes Wochenende nationale und internationale D&B Künstler zu hosten. Das Angebot von Partys in Städten mit einer größeren D&B Geschichte wie z.B. Hamburg, Mannheim und München sind da leider momentan nicht mehr ganz so aktiv wie sie mal waren. Meiner Meinung nach ist dies aber alles ein normaler Lauf bzw. eine gesunde Bereinigung des Marktes sowie eine Verschiebung von Dingen. Auf ein Hoch folgt ein Tief.

Ich bin mir für Deutschland im Allgemeinen sicher und optimistisch, dass es im D&B immer irgendwie weitergeht und vertraue da auch einfach den folgenden Generationen und den talentierten Musikern unseres Landes. Solange sich die Musik immer wieder neu erfindet, konstant weiterentwickelt und sich vor allem interessant genug gestaltet kann sie nicht verschwinden. Für mich ist Musik Gefühl und Kunst, und nicht Politik. Auch Magazine wie Headliner oder aber auch die ganzen Drum & Bass Online Foren sind enorm wichtig um das Szenegefühl am Leben zu halten. Ich finde davon haben wir in Deutschland wirklich sehr gut aufgestellte nationale und regionale Plattformen.

Stichwort „networking“ im Drum’n’Bass – was sind Eure Erfahrungen?

Flo: Sich etwas Größeres ohne ein gut funktionierendes Network aufzubauen ist meiner Meinung nach einfach sehr schwer und träge, und kann man beim besten Willen auch nicht nur auf den Bereich der Musik begrenzen. Man kann eben nicht alles selbst machen, zumindest nicht so gut wie jemand, der sich mit etwas speziell auseinander setzt und Kompetenzen hat, über die ich einfach nicht verfüge. Auch wir sind auf die Hilfe unserer Fans, Freunde und Bekannten angewiesen, oder bauen uns ein professionelles Netzwerk auf, um das bestmögliche Erreichen unserer Ziele zu ermöglichen.

England und Neuseeland sind meiner Meinung nach Paradebeispiele im Punkto Musik-Network. Die Strukturen der dortigen D&B Szene, aber auch all der anderen Musik-Styles, sind dort in vielen Aspekten noch besser und vor allem effektiver miteinander verwurzelt als hierzulande. Dort harmonieren Radio, Magazine, Onlineportale, Veranstalter und Szeneaktivisten meiner Meinung nach beispielhaft in jedem Musikbereich. Da läuft halt auch mal 2 Stunden D&B oder Dubstep auf einem großen öffentlichen Sender ohne dass sich jemand wundert oder gestört fühlt. Auch unsere deutschen Netzwerke funktioniert natürlich, das möchte ich auch definitiv nicht abstreiten. Ich bin lediglich ein Freund davon sich auch vor neuen Wegen niemals zu verschließen und von anderen zu lernen.

Michael: Das ist schon sehr wichtig mit anderen Menschen in Kontakt zu treten sich auszutauschen usw. gerade in Punkto Label! Aber ich als Misanthrop ;-) hab gemerkt, dass der persönliche Kontakt zu einer Handvoll Leuten meist ergiebiger ist als Gott und die Welt zu kennen. Klar freue ich mich auch immer neue Leute kennenzulernen die einem neue Blickwinkel aufzeigen, nur nimmt der Tagesablauf für den ich mich entschieden habe nunmal viel Zeit in Anspruch den ich für mich und nahestehende Personen brauche, und da bleibt regelmäßige Pflege von Kontakten meist auf der Strecke. Nicht aus Absicht oder weil mir diejenigen egal sind, sondern einfach aus dem Grund, dass ich mir Freiräume geben muss um dass zu erledigen was ich möchte.

Stichwort Social Media: Neben neosignal.de seid Ihr auch auf MySpace, facebook, Soundcloud, twitter, etc. vertreten. Seht ihr in der heutigen Vielzahl der social media Plattformen ein Vorteil oder ist es einfach nur mehr Arbeit überall präsent zu sein?

Flo: Um die Antwort zu dieser Frage nicht missverständlich zu gestalten, so dass jeder nachher meint wir hängen den ganzen Tag nur online ab, muss ich da persönlich etwas weiter ausholen. Ich bin ja quasi drei unterschiedliche Dinge in einer Person – Künstler, das Label sowie mein eigener Musik-Manager. Im kommerziellen Bereich machen das normal unabhängig von einander funktionierende Personen ganz nach dem Thema Schuster bleib bei deinen Leisten. Ist ja auch richtig, den sonst ist der kreative Fluss eines Künstler ständig mit tollem Papierkram oder planerischen Aufgaben gestört. In meinem Leben habe ich diesen „Luxus“ nicht, ist aber auch nur halb so wild und es macht mir auch so meistens sehr viel mehr Spass. Ich versuche in allen Bereichen mir das Wissen anzueignen, um gewisse Dinge einfach bestmöglich zu lenken. Aber nun zurück zu der Thematik Online in diesem Konstrukt – der Musikmarkt des Undergrounds hat schon immer dem grossen kommerziellen Musikmarkt vorgemacht, dass mach kreativ sein muss um als kleines Label wahrgenommen zu werden. Da kommt man heutzutage einfach nicht mehr herum auf den genannten Online-Plattformen präsent zu sein.

Heutzutage reicht es eben nicht nur noch aus gute Musik zu produzieren, sondern auch authentisch zu sein, etwas aufzufallen und auch wirklich etwas Eigenes zu erzählen. Ich bin natürlich kein Freund von unnötigem Spam, sondern finde das total entgegenwirkend. Als Musiker finde ich es grundlegend falsch mich oder meine Musik jemandem aufzwingen zu wollen. Dann hab ich Musik nicht wirklich verstanden. Die Social Media Plattformen eignen sich einfach wunderbar mit seinen Fans in Kontakt zu bleiben und sich und seine Werke, auch über die Grenzen hinaus, zu präsentieren. Gerade auf dem internationalen Musik-Markt ist dies sehr hilfreich. Aus rein Musik-Marketing technischen Gründen und der Flut an Informationen muss man sich auch gerade auf dem Onlinemarkt heutzutage geschickt positionieren um wahr genommen zu werden. Das elektronische Musikgeschäft, allen voran D&B, ist einfach so gottverdammt schnelllebig, so das Hype von gestern einen heute schon nicht mehr interessiert.

Das „From Deep Space“ Release steht zwar erst an, aber lasst uns trotzdem schonmal noch weiter voraus schauen: Was steht danach an, was habt ihr noch für 2010 geplant?

Flo: Erstmal wird einiges an Zeit für das Touren des Albums draufgehen. Zwischendrin steht mit Sicherheit auch etwas Studio-Time an. Ich habe schon ein paar Layouts für neue Stücke geschrieben und hoffe diese im Verlauf des ersten Halbjahres auch finalisieren zu können. Nebenbei habe ich auch neue Kollaborationen mit Spor, Noisia und Misanthrop am laufen.

Für eine vielversprechende und upcoming Sängerin und Songwriterin aus München („Panic Girl“) werden wir für das Label „Shady Brain“ einen Remix Ihres Debut Titel-Tracks „Burn and Rise“ machen. Ansonst versuchen wir natürlich auch das Label immer breiter und professioneller aufzustellen, sowie haben wir mit ein paar Freunden eine kleine Agentur für Audio Branding und Sound Design aufgebaut. Busy times, aber ich brauche die ständige Bewegung um nicht zuviel über das was ich tue nachzudenken, oder zu philosophieren ;)
Gibt es sonst noch etwas, das ihr loswerden wollt?

Flo: Wir haben einen Neosignal Newsletter ins Leben gerufen, und werden ebenfalls zum Album-Release hin eine Label Podcast veröffentlichen ‚Äì alles zu finden auf neosignal.de.

Flo, Nico, Michael – vielen Dank für das Interview!

Interview: future-music.net

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