Black Sun Empire lassen sich sicher als Pioniere des Neurofunk bezeichnen. Seit bald einer Dekade sind ihre düsteren Tracks nicht mehr aus dem Drum & Bass Geschehen weg zu denken. Mit ihren Alben „Driving Insane“( 2004 ), „Cruel & Unusual“ ( 2005 ) und der „Endangered Species“ Reihe ( 2006-2007 ) setzten sie Meilensteine der Drum & Bass Geschichte. Dazu betreiben sie zwei Labels: BSE Recordings, auf dem die meisten ihrer eigenen Releases erscheinen, und oBSEssion, das eine Plattform für aufstrebende Künstler bietet. Doch im letzten Jahr wurde es still um das niederländische Produzenten Trio. Grund dafür ist die neue und lang ersehnte „Lights and Wires“ LP, die nun endlich auf BSE Recordings erschienen ist. Neben der dunklen und harten Linie wagen sie sich diesmal auch in eine deepere Sphäre vor und erweitern ihr Dubstep Repertoire. Mit Headliner sprachen sie über Techno, Science- Fiction, Dubstep und natürlich ihr neues Album.
Als eure Karriere vor knapp 10 Jahren begann, waren Künstler, die nicht aus dem United Kingdom kamen eher die Ausnahme. War es dadurch schwieriger für euch in der Szene Fuß zu fassen und Aufmerksamkeit, gerade aus England, zu bekommen ?
Ja, die Szene war in dieser Zeit schon eher geschlossen und es war sehr schwierig mit Label Besitzern, DJs und Vertrieben in Kontakt zu treten. Also war es für uns die logische Konsequenz sich auf die lokale Szene in Holland zu konzentrieren, die damals, wie auch in vielen anderen Ländern, immer größer wurde und viele Talente hervorbrachte. Mit diesem Standbein war es dann kein Problem auch außerhalb der Niederlande Aufmerksamkeit zu bekommen und Erfolg zu haben. Zwar ist London noch immer die inoffizielle Hauptstadt, doch die Szene ist globaler geworden und man kann inzwischen von überall arbeiten.
Euer Sound ist sehr stark von Techno beeinflusst. Gibt es Künstler aus dieser Szene, die euch inspirieren und überlegt ihr selber einmal Techno zu produzieren?
Wir haben uns schon immer mit allen Spielarten elektronischer Musik beschäftigt und uns von ihnen inspirieren lassen. In den Anfängen waren es vorwiegend Bands wie Underworld, Front242, FSOL, The Orb, Chemical Brothers, The Prodigy etc. Heute sind es eher Produzenten wie Jon Hopkins, James Holden, Apparat, Modeselektor oder Nathan Fake, die unsere größte Aufmerksamkeit bekommen. Gerade Four-to-the-Floor Tracks reizen uns allerdings momentan nicht. Wir nehmen nur die Einflüsse mit und lassen sie in unsere Musik einfließen. Aber man weiß nie, was die Zukunft bringen wird!
Milan sagte einmal in einem Interview, dass er eine enge Verbindung von futuristischen Ideen, also Science Fiction, und elektronischer Musik sehe. Wie würdet ihr eure Musik in diesem Kontext beschreiben?
So wie die Wissenschaft stetig nach einer neuen Zukunft sucht, entwickelt sich auch die Technologie mit der wir arbeiten fortlaufend weiter und beeinflusst unseren Schaffensprozess. Die Verbindung zu Sci-Fi ist allerdings schwierig, da es sich dabei um eine altmodische Bewegung handelt und nicht mehr für moderne futuristische Ideen steht. Das wird bei dem Vergleich von Inception und Blade Runner deutlich. Man könnte bei unserem Sound von Future Sci-Fi sprechen. Zumindest versuchen wir diesem Anspruch gerecht zu werden.
Eure bisherigen Produktionen basierten gänzlich auf Software. Ist das bei eurem neuen Album auch der Fall oder habt ihr die alte Hardware mal wieder entstaubt?
Das ist nicht ganz richtig. Unsere ersten Tracks sind in einem Hardware Studio entstanden. Damals war das eine große Investition, die alle unsere Gehaltsschecks verschlungen hat. Erst seit ein paar Jahren sind die Computer leistungsstark genug um eine unseren Ansprüchen gerecht werdende Produktion bewältigen zu können. Begonnen haben wir mit Fruity Loops, steigerten uns mit Logic und seit einiger Zeit arbeiten wir mit Cubase. Unsere Nord Modulars (wir haben inzwischen 6 Stück) sind die einzigen Hardware Elemente, die wir für jede Produktion einsetzen. Der Sound entsteht aber nur noch im Computer.
Lights and Wires ist das erste Release seit über einem Jahr und ihr wagt euch auf der neuen LP in neue Stilrichtungen vor.¬†War die Suche nach neuen Impulsen der Grund für die Lange Pause? In erster Linie hat das Album einfach ein Jahr lang gedauert.
Es war ein Jahr lang endlos Loopen, Eq-en, Delayen, Distorten, Rendern, Re-rendern, Löschen etc. Während dieser ganzen Prozesse fand natürlich auch gewissermaßen eine Suche nach neuen Sounds, Impulsen und Inspirationen statt, die die Gestalt von Lights and Wires nachhaltig beeinflussten, bis es nun zu diesem Ergebnis gekommen ist.
Einige Stücke auf Lights and Wires lassen sich dem deep, atmosphärisch, experimentellen Drum & Bass zuordnen (Black River Bay). Ich denke dieser Stil sorgt für eine gesteigerte Aufmerksamkeit außerhalb der Szene, da die Grenzen zwischen Drum & Bass und z.B. Techno oder Dubstep langsam verschwinden. Wie steht ihr dazu?
Das ist richtig. Die Genres haben sich im Laufe der Zeit so stark gegenseitig beeinflusst und inspiriert, dass man nun von einem positiven Trend der Grenzverschleierung sprechen kann. Bevor wir mit Drum & Bass anfingen haben wir Techno, Electro, Ambient, Breakbeat, Hardcore und Trip-Hop gemacht. Doch erst mit dem Aufkommen von Dubstep ergab sich für uns die Möglichkeit etwas anderes als Drum & Bass unter dem Namen Black Sun Empire zu veröffentlichen, da sich hier ein nachzuvollziehender Bezug herstellen lässt.
Heutzutage spricht jeder über Dubstep. Was denkt ihr ist der Grund für den großen Erfolg des Genres und wie seht ihr die Entwicklung von Drum & Bass in Bezug auf die Dubstep Bewegung?
Durch die erheblich langsamere Geschwindigkeit von 140 bpm lässt sich durch das entstehende Half-Time-Gefühl eine Intensivierung des Sounderlebnisses beim Hörer erreichen und dem Produzenten ist viel mehr Freiraum gegeben, neue Spielarten mit in die Musik einfließen zu lassen, für die Drum & Bass schon zu standardisiert ist. Auf der anderen Seite ist es eine Fähigkeit von Drum & Bass, andere Genres mit einzubinden und dadurch starke Impulse an die Szene zu geben. Das sehen einige Fans als Bedrohung an. Aber genau diese fremden Einflüsse halten Drum & Bass am Leben und bringen es weiter nach vorne.
Auf den Tracks Sporck und Fuzzball von der Lights and Wires LP sind interessante Drum Patterns zu hören, die recht unüblich für Drum & Bass sind. Für mich klingen sie sehr organisch und wie ein Live Percussion Set. Versucht ihr damit die standardisierten Strukturen von Drum & Bass aufzubrechen?
Diese Stücke waren nie für den Dancefloor gedacht, deshalb spielten die ungeschriebenen Regeln, die für die Struktur eines Drum & Bass Tracks gelten, damit sie beispielsweise ein DJ im Club spielt, hier keine Rolle. Auf diese Weise hatten wir mehr Freiheit und für ein Album als Gesamtkonzept sind solche Stücke ungeheuer wichtig.
Spielt einer von euch Schlagzeug oder andere Instrumente?
Milan und Micha spielten bevor wir BSE gründeten Schlagzeug und Rene vollbrachte Wunder am Piano. Aber auch wenn man ein Instrument beherrscht, ändert das nicht die Herangehensweise an einen elektronisch produzierten Track. Digital programmierte Drums sind etwas völlig anderes als live gespielte.
Auf dem Album ndet zum ersten Mal eine Kollaboration mit dem ebenfalls aus den Niederlanden stammenden Nymfo statt. Wie kam es dazu und wie lief die Arbeit ab?
Ein einfaches Treffen zum Mittagessen endete in einem „Wer kann die besseren Sandwiches machen-Battle“. Doch zwischen den Duellen fanden wir genug Zeit einen Track zusammen zu produzieren.
Die Debatte über die digitalen Technologien beim Auflegen scheint nie ein Ende zu finden. Wie steht ihr dazu?
Ja wir kennen das von der Zeit als wir angefangen haben mit CDs zu spielen. Heute gehören CDJs allerdings zur Standardausrüstung eines jeden Clubs und das Medium scheint akzeptiert zu sein. Dafür gibt es heute eine ähnliche Diskussion um das Auflegen mit Laptops. Da wir diese Technik aber nicht nutzen, wissen wir auch nicht, wo die Diskussion steht. Letztendlich geht es unserer Meinung nach nur darum, das Publikum zu unterhalten. Wenn das erreicht wird, ist es unerheblich mit welchem Medium das geschieht.
Was können wir von BSErecordings und oBSEssion in naher Zukunft erwarten?
Wir sind stetig auf der Suche nach neuen Talenten, die auf oBSEession eine Plattform bekommen. Dort wird demnächst Poison von Rido erscheinen und auf BSE Recordings das Stück One von Telemetrik und Buletproof. Auch wir haben die Arbeit an neuen Bits wieder aufgenommen.
Vielen Dank für das Interview.
Interview: Christian Kinkel
Dieser Artikel wurde in der Ausgabe 13 (Dezember 2010) des Headliner Magazins veröffentlicht und erscheint mit freundlicher Genehmigung.
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