dizplay

Der Kölner Henrik Wild alias Dizplay hat vor kurzem sein erstes Solo-Album „Shift Happens“ auf dem Kölner Basswerk-Label herausgebracht. Im Interview mit drumandbass.de erzählt er über die Arbeit für sein Album und sein geplantes Liveprojekt.

Wie kam es zu deiner Entscheidung, ein Doppelalbum zu machen?

Ich habe ja schon relativ lange Musik gemacht, sowohl im Bandkontext, als auch elektronisch und bin dann erst eigentlich rüber zu Drum & Bass gekommen, weil mich die Musik einfach gekickt hat und neu und futuristisch war. Also insofern Grundsätzlich etwas zu machen, was nicht nur Drum & Bass ist, war jetzt nicht komplett neu für mich. Ich hatte auch wieder Lust etwas Größeres zu machen, als nur einzelne Singles, und mir war es dann auch relativ schnell klar, dass ich mehr tun muss, als ich beim letzten Album gemacht habe, den Fokus ein bisschen weiter zu ziehen. Die Frage ist ja dann immer, bringt man es auf einem Album unter, was ich auch erst probiert habe, es für mich aber nicht richtig angefühlt hat. Die Frage ist auch, was produziert man für den Floor und was zum reinen Hören. So musste ich einfach keine Kompromisse eingehen.

Wie lange hat sich der Prozess bis zur Fertigstellung des Albums hingezogen?

Angefangen habe ich 2008, da kamen die ersten Stücke und die ersten Skizzen und daraus ist dann auch die Idee entstanden, letztendlich auch ein Album zu machen. Ich habe die Stücke bei einer Basswerk Session gespielt und Heiner, The Green Man, kam direkt auf mich zu und hat gefragt, ob ich nicht Lust hätte, das weiter voranzutreiben und etwas Größeres daraus zu machen. Das coole war, dadurch das das Ganze sich natürlich relativ lange hingezogen hat, die Stücke auch anders entstanden sind, als ich das früher gemacht habe. Sonst war es immer so, ein Stück, Anfang, Ende, fertig. Jetzt war es so, dass ich relativ viele Stücke parallel bearbeitet habe und die Stücke quasi so lange und so weit zu verfeinern, bis sie das gewisse Etwas, eine gewisse Reife haben. Die meisten Floortracks die man produziert, sind auf eine gewisse Art Quick And Dirty. Du weißt es muss funktionieren, es gibt bestimmte Mittel um die Stücke dazu zu bringen, zu funktionieren. Für ein Album ist es aber cooler, wenn die Stücke mehr Tiefgang haben, so dass sie im ersten Moment nicht so sehr knallen, sondern auch beim X-ten hören noch was haben. Es war eher so ein iterativer Prozess. Immer wieder die Stücke anhören, auf dem Kopfhörer, auf der Anlage, im Auto und dann zu sagen, ok, da fehlt jetzt noch etwas, da muss ich jetzt noch mal grundlegender ran.

dizplay & leon

Du möchtest deinen Sound auch live auf die Bühne bringen, wie können wir uns das vorstellen?

Das ist eine super Frage, denn da liegt eigentlich die Zukunft. Ich predige das seit zehn Jahren, dass man eigentlich immer mehr weg müsste, von dem reinen, vorgefertigten Konservensound, mehr hin zu etwas intuitiverem, was halt viele Bands auch live so geil macht. Technisch hat sich da viel getan in den letzten Jahren, wenn man sich mal anguckt, was es mittlerweile an Software gibt. Ableton, Traktor und die ganzen Controller die in den letzten zwei, drei Jahren gekommen sind. Da ist einfach eine Menge entstanden, was man wirklich nutzen kann. Ich hatte schon 2002 die Idee mit meinem Bruder N.Phect ein Liveprojekt zu starten, aber ich habe ziemlich schnell gemerkt, das es nicht möglich ist mit den Tools, die wir damals zur Verfügung hatten. Es kann halt nicht sein, das ein Stück, was du vorher spielst, viel viel besser klingt, als das was du live machst. Du willst ja genau den gleichen Anspruch rüberbringen können. Das ist jetzt deutlich machbarer geworden.

Wie das bei mir genau aussehen wird ist noch nicht ganz zu sehen, aber anders als früher, wo nur ein Filter rauf und runter gedreht wurde, kann man jetzt relativ gut den Ablauf der Stücke verändern. Du kannst sozusagen Live-Mashups mit deinen eigenen Stücken machen oder nimmst eine Vocal-Line von irgendwo her und loopst das dann vernünftig. Du kannst auch relativ gut darauf eingehen, was die Leute gut finden. In einem DJ-Set spielt man ja schon meistens seinen eigenen Schuh herunter. Das finde ich gerade die Herausforderung, so ein bisschen intuitiver zu werden. Das kann natürlich auch nach hinten losgehen, das man erwartet, das das Stück genau so gespielt wird, wie man es von der Platte kennt. Aber spannender finde ich eigentlich, das Optimum herauszuholen, anstatt es einfach nur zu reproduzieren.

Es wird also nicht so sein, dass du eine Band auf die Bühne bringen wirst, sondern du eher mit Geräten und Controllern arbeiten wirst?

Zumindest als Kernelement. Bei der Basswerk Session am Samstag wird auch Leon mit dabei sein, mit dem ich auch mehrere Stücke auf dem Album gemacht habe, wo es dann auch cool ist zu sagen, ok, lass uns das mal versuchen, es live vernünftig herüberzubringen und nicht nur ein eins zu eins Produkt. Da ich auch selbst früher viel Gitarre und Drums¬†in Bands gespielt habe, kann ich mir gut vorstellen, mit ein zwei Leuten einen bestimmten Live-Ansatz herauszusuchen. Gerade eine Gitarre muss auch heute nicht mehr klingen wie eine Gitarre, du kannst sie zum Beispiel als Midi-Input nehmen und irgendwelche geilen Synthesizer triggern. Es gibt einfach Bands, die das probieren, zum Beispiel Pendulum oder The Prodigy. Klar, zum größten Teil kommt das dann irgendwie wieder vom Band, aber man sieht, wie das die Leute kickt und es der Band halt auch selbst Spaß macht.

Das spannende bei der Live-Geschichte ist auch, wie die Veranstalter das aufnehmen werden. Früher habe ich eigentlich immer nur mit CDs aufgelegt und fast niemand hatte CD-Player. Jetzt bist du in einer Zeit, wo das schon fast wieder vorbei ist. Jetzt braucht du eine Ablagefläche für dein Notebook, die einigermaßen hitzeresistent sein muss. Mal gucken, wie sich das entwickelt. Ich kann mir vorstellen, dass die Kids, die jetzt aufwachsen und die jetzt 14 sind und ihren Rechner ein bisschen aufgerüstet haben,¬†in ein paar Jahren direkt ihre Synapsen anstöpseln können.¬†Da werden wir dann ganz alt aussehen.

Ich kann mich noch gut an die Zeit erinnern, vor 10 Jahren, wo es in der Drum & Bass Szene absolut verpönt war, mit CDs aufzulegen, da wurde dir schon fast auf die Finger gehauen, wenn da jemand ein CD-Case ausgepackt hat.

Solche Brüche gibt es immer. Guck dir nur mal Traktor an. Ein Hardcore-Verfechter könnte jetzt sagen, dass man da ja noch nicht mal richtiges Beatmatchen können muss. Auf eine gewisse Art hat er dann ja auch recht. Auf der anderen Seite macht einen DJ viel mehr aus, als reines Beatmatchen.¬†Das ist ein reines Handwerk. Die Frage, wann spiele ich welche Platte, wann fade ich was in den anderen Track, ist viel wichtiger. Mit diesen Freiräumen die du jetzt hast, kannst du so viel geiles Zeug machen. Ich habe von Richie Hawtin ein Interview gelesen und fand es so beeindruckend, was er mit seinen Spuren gleichzeitig macht und sich sagt,¬†wo ich jetzt einfach nicht mehr Beatmatchen muss, kann ich so kreativ sein und die Leute finden es geil. Es wird garantiert wieder so einen Krieg geben, wo die Leute sagen werden, finde ich gut, finde ich schlecht, aber ich glaube wenn man unten steht, im Publikum und es rockt, das ist doch das Wichtigste.

dizplay

Du hast vor ein paar Jahren gesagt, dass dich Drum & Bass nicht mehr sonderlich interessiert. Wodurch kam der Wandel, dann doch weiterzumachen?

Ich glaube der Punkt kam einfach dadurch, das alle immer mehr für den Floor gemacht haben. Du hast das Gefühl gehabt, da gibt es so eine Formel. An mir selber habe ich auch gemerkt, das¬†es gibt bestimmte Drumpatterns, bestimmte Bassounds¬†gibt, die einfach funktionieren. Dadurch wird es aber auch immer berechenbarer und das hat mich irgendwann super gelangweilt. Zum Glück gab es da dann diese neue Entwicklung, zum Beispiel durch die Autonomic Jungs, D-Bridge und Instra:Mental. Daraus hat sich superviel¬†entwickelt. Das schöne daran finde ich zum einen, dass man es auch hören kann. Es klappt auch im Club, auch wenn es jetzt möglicherweise nicht Peak-Time ist. Man kann es aber einfach super hören und es macht Spaß. Es ist auch irgendwie musikalisch komplexer. Es wurden auch wieder andere Sounds benutzt, zum Beispiel Detroit-Techno-Sounds, die ja auch ganz früher schon mal im Drum & Bass waren. Es war eine Zeit lang nur noch funktional, nur noch Reece und eine punchy Snare. Ich glaube das kommt jetzt wieder zurück, das man versucht offener zu werden. Alleine das so viele Alben herausgekommen sind in den letzten zwei Jahren, das ist schon ein gutes Zeichen.¬†Das war auch ein Teil des Grundes, warum das Album so geworden ist, glaube ich. Ich habe mir gesagt, das kann doch jetzt nicht alles gewesen sein? Ich habe vor allen Dingen¬†auch viel andere Musik gehört¬†und darüber auch die Motivation bekommen, mehr zu machen, als ein reines Drum & Bass Album.

Dein Album ist ja jetzt fertig und bereits erschienen. Arbeitest du bereits an neuen Sachen?

Ich merke gerade, das da so ein Übergang stattfindet bei mir. Das Aufbereiten der Tracks des Albums für meinen Liveact, geht sofort darin über, neue Stücke zu bauen. Das macht einfach Spaß und inspiriert mich auch. Ich habe bis zum Release eigentlich fast nur für das Album produziert und irgendwann brauchst du einfach auch mal ein paar Wochen ruhige Ohren. Jetzt merke ich, immer wenn man das Setup verändert, kommen auch ein paar neue Ideen. Wenn ich mich immer mit dem gleichen Sequenzer, mit den gleichen Plugins, mit den selben Samples hinsetze, dann kommt auch wieder ein sehr ähnlicher Track heraus. Deshalb versuche ich auch gerade, das so ein bisschen zu verändern. Deshalb ist der Liveact super dafür. Zum Beispiel mit der Machine von Native Instruments herumzuspielen. Du kommst einfach anders an die Musik dran und das macht einfach wieder Lust auf Neues. Ich weiss noch nicht in welche Richtung es stilistisch geht, aber ich muss sagen, das Feedback, was zur zweiten CD kam, hat mich positiv überrascht. Ich habe gedacht, dass die Leute die meinen Namen kennen, jetzt vielleicht nicht etwas damit anfangen können, weil es bewusst musikalischer gehalten ist und überhaupt nicht für den Dancefloor. Das fand ich schon sehr angenehm, mal zu gucken, ob so eine Melange aus beidem nicht funktionieren kann.

Vielen Dank für das Interview.

dizplay - shift happens

Shift Happens Previews Disc A by dizplay_neurocode

Shift Happens Previews Disc B by dizplay_neurocode

Interview: Jaycut